Long QT-Syndrom (LQTS)

Das Long QT-Syndrom(langes QT-Syndrom) ist die häufigste vererbbare Ionenkanalerkrankung. Es kann zu lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen und plötzlichem Herztod aufgrund Störung der elektrischen Erregungsbildung und -leitung im Herzmuskelbei ansonsten herzgesunden Menschen kommen. Das größte Risiko für einen plötzlichen Herztod besteht für Betroffene unter 40 Jahren. In Europa kommt es bei 1 von 2500 Personen vor. Das Durchschnittsalter bei Diagnose beträgt 14 Jahre. Bei über 50% der Betroffenen treten Symptome vor dem 18. Lebensjahr auf. Bisher wurden 17 verschiedene Genvarianten gefunden, die das LQTS verursachen können. Bei 90% der LQTS-Erkrankungen liegen die 3 häufigsten Genveränderungen vor (Mutationen im KCNQ1-Gen, im KCNH2-Gen sowie im SCN5A-Gen). Kombinationen mit neurologischen Erkrankungen wie Epilepsie, Autismus oder anderen körperliche Beeinträchtigungen wie Taubheit oder Fingerveränderungen kommen vor. Das LQTS-Syndrom ist eine gut behandelbare, aber nicht heilbare Erkrankung. Bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung lassen sich die meisten Komplikationen und Todesfälle vermeiden. Die Prognose ist abhängig vom Typ und der Ausprägung der genetischen Veränderung. Unbehandelt besteht ein erhöhtes Risiko für den plötzlichen Herztod.

Zur Krankheit

Das LQTS ist eine Störung des elektrischen Reizleitungs-Systems des Herzens. Sie wird durch Anomalien von mikroskopisch kleinen Poren (Proteinen) in der Membran der Herzzellen, den so genannten Ionenkanälen, verursacht. Durch veränderte Ionenbewegungen entsteht eine elektrische Instabilität der Herzmuskelzellen, die zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen kann. Kennzeichnend ist die verlängerte QT-Zeit im EKG, die sich nicht immer zeigt. Bei 12-37 % der Betroffenen gibt es einen unauffälligen EKG-Befund. Das LQTS ist eine genetisch verursachte Erkrankung. Wenn bei einem Familienmitglied das LQTS diagnostiziert wird, ist es sehr wichtig, dass auch der Rest der Familie(Verwandte ersten Grades) untersucht wird. Es gibt auch Betroffene mit neu aufgetretenen Genveränderungen(Mutationen).

Krankheitszeichen-Symptome

Nahezu die Hälfte der Menschen mit einem LQTS ist symptomfrei. Wenn es zu den für LQTS charakteristischen Herzrhythmusstörungen (Torsade de pointes) kommt, ist ein plötzlicher vorübergehender Bewusstseinsverlust (Synkope) das häufigste Erkrankungszeichen.

Die wichtigsten Krankheitszeichen sind:

  • Kurzer Bewusstseinsverlust/ Ohnmacht oder Krampfanfall bei körperlicher Anstrengung, Aufregung oder Erschrecken
  • Ungeklärte Episoden von Bewusstlosigkeit(Synkopen)
  • Ungeklärte Krampfanfälle/ Epilepsie
  • Plötzlicher Herztod unter 40 Jahren in der Familie
  • Kurze Schwindelanfälle, Unwohlsein, Benommenheit
  • Badeunfälle mit Bewusstlosigkeit/plötzlichem Herztod

Diese Ereignisse können besonders beim Schwimmen, beim Springen in kaltes Wasser, beim Tauchen oder Wassersport auftreten. Beim LQTS 2 führen laute Geräusche zu Herzrhythmusstörungen. Bei LQTS 3 können die Rhythmusstörungen im Schlaf auftreten.

Diagnose

Zur korrekten Diagnosestellung gehören folgende Untersuchungen:

Persönliche Krankheitsgeschichte
Familien-Krankheitsgeschichte
12-Kanal-Ruhe EKG

QT-Intervalle von Hand ausmessen, Frequenzangepasste Formel zur Bestimmung der QTc-Zeit verwenden

Morphologie der T-Welle

Long-QT-Aufsteh-Test

Das Ruhe EKG kann normal sein!

QTc-Zeiten über 480 ms in Verbindung mit Bewusstlosigkeiten oder einem überlebten Herzstillstand zeigen ein LQTS an.

Bei Symptomen(s.o.) oder einer auffälligen Familien-Krankengeschichte ist ein QT-Wert von mehr als 470 ms bei Männern und 480 ms bei Frauen ein ausreichender Hinweis für die Diagnose eines wahrscheinlichen LQTS.

Wichtig ist, dass QT-Intervall verlängernde Medikamente oder andere QT-verlängernde Erkrankungen ausgeschlossen wurden.

Langzeit-EKG
Belastungs-EKG
Echokardiographie
Genetische Untersuchung

Durch genetische Untersuchungen können bei 75% der LQTS-Patienten Mutationen nachgewiesen werden. 90% der LQTS-Erkrankungen werden von 3 Genveränderungen verursacht: siehe oben

Typ 1: Mutation betrifft KCNQ1(Kaliumkanal gestört);

Typ 2: Mutation betrifft -KCNH2(Kaliumkanal gestört);

Typ 3: Mutation betrifft -SCN5A(Natriumkanal gestört)

Modifizierte Diagnose-Punktwerte-Tabelle

Es gibt eine Tabelle(modifizierter Schwartz-Score), in der den verschiedenen Krankheitszeichen Punktwerte zugeordnet werden. Wenn eine bestimmte Punktzahl erreicht wird liegt mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit eine Long QT–Erkrankung vor. Dieser Score stellt eine Hilfestellung bei der Diagnose dar. Berücksichtigt werden: Dauer der QTc-Zeit, Bestimmte EKG-Veränderungen(T Wellen Alternans, geknotete T Wellen), Vorliegen von Bewusstlosigkeit(Synkope), Familienmitglieder mit LQTS oder ungeklärte Todesfälle unter 30 Jahren in der Familie. Ihr Arzt kann aufgrund der persönlichen Krankheitsgeschichte, der Familiengeschichte und der sorgfältigen Untersuchung Ihres EKGs einen Verdacht auf LQTS äußern.

Behandlung Therapie

Die meisten Kinder und jungen Erwachsenen sollten behandelt werden, auch wenn sie keine Symptome haben. Dazu gehören:

Anpassung des Lebensstils

Vermeiden auslösender Ereignisse, je nach LQTS-Typ und Ausprägung. Dazu können gehören:

Situationen, in denen viel Adrenalin ausgeschüttet wird Hohe psychische Belastung oder emotionaler Stress
  • Erschreckende Geräusche
  • Hohe physische und dynamische körperliche oder sportliche Aktivität, Spitzenbelastungen
  • Wettkampfsport bzw. spezielle Sportberatung durch spezialisierten Kardiologen
  • Wassersport, plötzlicher Kontakt mit kaltem Wasser
  • Elektrolytstörungen wie ein Mangel an Kalium, Magnesiummangel oder Kalzium(können bei starkem Durchfall oder Erbrechen vorkommen)
Vermeiden

Medikamente, die nachweislich das QT-Intervall verlängern können, müssen vermieden werden. Dies gilt auch für speziellen Behandlungen (z.B. bei Operationen, Narkosen, örtliche Betäubung, Antibiose, Allergie, Psychotherapeutika, …). Der behandelnde Arzt/ Therapeut muss über die Diagnose informiert werden.

Die Liste von zu vermeidenden (potentiell gefährlichen) Arzneimitteln ist unter www.crediblemeds.org einsehbar und als App verfügbar.

Einnahme von Medikamenten:

Die übliche Behandlung für LQTS besteht in der täglichen Einnahme von Betablockern (vorzugsweise Nadolol oder Propranolol). In einigen Fällen können auch andere Medikamente zum Einsatz kommen(bei LQTS-3: Mexiletin). Diese Therapie wirkt bei der Mehrheit der LQTS-Patient:innen. Es ist sehr wichtig, dass die Medikamente jeden Tag eingenommen werden und nicht vergessen oder ausgelassen werden.

Apparative Therapie

Wenn trotz Therapie mit Betablockern weiter Symptome(besonders Synkopen) auftreten oder die Betablocker Therapie nicht vertragen wird, können weitere Medikamente verordnet werden. Bei einigen Betroffenen kann eine Operation (linkskardiale sympathische Denervierung (LCSD) oder das Einsetzen eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD) angezeigt sein.

Prognose

Insgesamt gut bei zuverlässiger Befolgung der Therapie, abhängig vom LQTS Typ und Ausprägung.

Erworbenes Long QT-Syndrom

Die QT-Zeit kann durch Medikamente, Gifte oder Krankheitszustände wie z.B. Entzündungen verlängert werden. Auch hier können bedrohliche Herzrhythmusstörungen auftreten. Nach Absetzen des Medikamentes oder erfolgreicher Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung normalisiert sich die QT-Zeit wieder. Bei der Gabe von QT-Zeit verlängernden Medikamenten muss sorgfältig auf die Auswirkungen geachtet und bei Bedarf ein anderes Medikament gewählt werden. Da keine erbliche Störung vorliegt, wird von einem erworbenen Long QT-Syndrom gesprochen.

Spezielle Lonq QT-Erkrankungen

Anderson-Tawil-Syndrom

Sehr selten, 1:1 000 000,

Autosomal-dominanter Erbgang, LQTS 7

7,9% lebensbedrohliche Arrhythmien innerhalb von 5 Jahren,

unterschiedliche Ausprägung

Symptome

Häufige ventrikuläre Arrhythmien(polymorph oder bidirektional), Fehlbildungen am Körper(Dysmorphien): tiefstehende Ohren, schmaler Unterkiefer, großer Augenabstand, Kleinwuchs, Skelettveränderungen(Skoliose), Veränderungen an den Fingern. Phasenweise auftretende Lähmungen(Muskelschwäche)

Diagnose
Persönliche Krankheitsgeschichte
Familien-Krankheitsgeschichte
12 Kanal-EKG

U-Welle im EKG, QTc-Zeit kann verlängert sein

Langzeit-EKG
Belastungs-EKG
Echokardiographie
Genetische Untersuchung

KCNJ2-Mutation

Therapie

Beta-Blocker und/oder Flecainid ICD bei stärkeren Symptomen(Tachykardien, Synkopen

Timothy Syndrom

LQTS 8

Autosomal dominant

Verlängerung der QT-Zeit

Sehr selten: 100 Betroffene weltweit Zeigt sich kurz vor bzw. kurz nach der Geburt

Symptome

Multisystemkrankheit: Herz, Hand, Gesicht, Nervensystem Finger, Zehen, Syndaktylie(mit Haut zusammengewachsene Finger-Schwimmhäute)

Nervensystem- Autismus Epilepsie, Minderbegabung, hypotone(schlaffe) Muskulatur

Evtl. mit kardialen Fehlbildungen: persistierender Ductus arteriosus, Ventrikelseptumdefekte, hypertrophe Kardiomyopathie,

Gesichtsfehlbildungen: tiefstehende Ohren, rundliches Gesicht, Zahnanomalien, Nase. Lippen

Erkrankung
Diagnose
Genetische Untersuchung

CAVNA1C-Gen

Therapie

ß-Blocker, ICD

Jervell-Lange und Nielsen Syndrom

Vererbung autosomal-rezessiv: 25% Erbwahrscheinlichkeit, Innenohrschwerhörigkeit